Rochus Lussi. Eine Werkskizze.
Essenz
Es ist von schillernder Vielfalt und kräftiger Präsenz: das Werk von Rochus Lussi. Es überspannt mehr als dreissig Jahre, bindet mehrere Techniken und Ausdrucksformen der Kunst ein und beschreibt eine Entwicklung von hier nach dort und wieder zurück. Zurück zum eigenen Ich, wo alles angefangen hat.
Lussis breites Werk umfasst Objekte, Skulpturen, Installationen, Skizzen und Zeichnungen, Holzdrucke, aber auch Kunst-und-Bau-Arbeiten sowie Performances. Dabei kreist Lussi stets um die für ihn bedeutenden Themen. Themen, die sich während seines Schaffens im Laufe der Zeit herausgebildet haben. Themen, die den Menschen in seinem Menschsein zutiefst beschäftigen und in Lussis Werk zu einem lyrischen, materiellen Ausdruck finden.
Wir begegnen Arbeiten etwa zu den Themen «Ich und Du», «Individuum und Masse», «Verletzbarkeit und Wehrhaftigkeit», «Täter und Opfer», «Freude und Schmerz» oder «Liebe und Lust». Protagonistinnen und Protagonisten sind Menschen, Tiere, Heilige und Wesen, die allesamt zu berührenden Umsetzungen gefunden haben und von Lussi etwa als «Multiples», «Trophäen» und «Ikonen» angesprochen werden.
Der grosse Teil der Werke ist bildhauerisch, mehrheitlich in Holz, gearbeitet. Dabei ist die Kettensäge wichtiges Werkzeug, mit dem Lussi aus einem Holzstamm in virtuoser Manier filigranste Figuren herausschält. Daneben finden auch die Trennscheibe, der Klöppel, das Schnitzmesser und die Kopierfräse Verwendung. Mit der gekonnten Anwendung der ganzen Palette an bildhauerischen Werkzeugen schafft Lussi Oberflächen von unterschiedlichster Textur: von feingeschliffen und detailreich bis hin zu flüchtig bearbeitet und formreduziert.
Alle Arbeiten sind stets ästhetisch, häufig in einer realistischen Umsetzung, manchmal in einer abstrahierten. Wenn man sich indes auf das Objekt einlässt und die Schönheit von Oberfläche und Form erkundet, erlebt man Kippmomente. Man wird mit Gegensätzen konfrontiert, die über die reine Ästhetik hinausschwingen und einen schaudern lassen. So kann etwa Sinnlichkeit in Perversion umschlagen oder Schönheit ins Furchterregende. Sinnbildlich dafür ist die sich wie ein roter Faden durch das ganze Werk ziehende rote Farbe, aufgebracht etwa auf einen Apfel. Rot als Symbol für das pralle Leben mit all seinen positiven und negativen Schattierungen.
In diesem Sinn schafft Rochus Lussi ein einzigartiges Werk, in dem die Suche nach dem eigenen Ich in der künstlerischen Interpretation Ausdruck findet, das die substanziellen Fragen des Daseins aufgreift und uns beglückt und gleichsam verstört und somit mitten ins Herz trifft.
Dr. Brigitte Moser, Kunsthistorikerin, Zug
Rochus Lussi. A Work Study.
Essence
Rochus Lussi’s oeuvre encompasses a remarkable range and radiates a powerful presence. Spanning more than thirty years, it not only incorporates an array of techniques and artistic forms of expression but also charts his development from here to there and back again. Back to his own self, where it all began.
Lussi’s extensive body of work comprises objects, sculptures, installations, sketches and drawings, woodprints, performances and artworks in public spaces. Lussi’s work always revolves around themes that are essential to him. Themes that have evolved over the course of his creative output. Themes that profoundly pertain to the human condition and have found a lyrical, material expression in his work.
We encounter works dealing with such themes as the ’I’ and the ’you’, the individual and the masses, vulnerability and fortitude, the perpetrator and the victim, joy and pain or love and desire. The protagonists are humans, animals, saints and other beings, all of which have found poignant interpretations, referred to by Lussi as “multiples”, “trophies” and “icons”.
The majority of his works are sculptures, most often in wood. The chain saw is an essential tool here, with which Lussi masterfully carves exceptionally delicate figures from a tree trunk. In addition, the cutting disc, mallet, carving knife and copy router are also deployed. With his skilful use of the entire range of sculptural tools, Lussi creates surfaces with exceedingly varied textures: from finely burnished and rich in detail to coarsely wrought and reduced in form.
All works are unfailingly aesthetic, often in a realistic rendering, sometimes abstract. However, when you engage with the object and explore the beauty of surface and form, you may well experience a tipping point. You will be confronted with contradictions that resonate beyond pure aesthetics or that make you shudder. Sensuality can turn into perversion or beauty into the terrifying. Symbolic of this is the colour red, applied to an apple, for example, which runs like a common thread throughout his entire work. Red as a symbol for the richness of life with all its positive and negative nuances.
In this sense, Rochus Lussi has created a unique oeuvre in which the search for one’s own self finds expression in artistic interpretation that tackles substantive issues relevant to existence, and that both delights and confounds us, while getting right to the heart of the matter.
Dr. Brigitte Moser, Art historian, Zug